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Qualitätsstandards für die Schulsozialarbeit in Mecklenburg-Vorpommern

1. Gesetzliche Verankerung und rechtliche Grundlagen

Schulsozialarbeit in Mecklenburg-Vorpommern lässt sich derzeit aus dem Sozialgesetzbuch Acht (SGB VIII), dem Kinder- und Jugendförderungsgesetz M-V (KJfG M-V) sowie dem Schulgesetz M-V (SchulG M-V) herleiten.[1] Darin werden zum Teil die Aufgabenfelder der Schulsozialarbeit umschrieben. Eine konkrete Benennung der Schulsozialarbeit gab es bisher in keinem der Gesetzestexte. Mit der Änderung des SGB VIII (Mai 2021) wird in den §§ 2 und 13a Schulsozialarbeit als sozialpädagogisches Angebot genannt, mit dem Verweis darauf, dass Inhalte und Umfang der Aufgaben durch Landesrecht geregelt werden. Eine explizite gesetzliche Verankerung der Schulsozialarbeit auf Landesebene ist sowohl im Kinder- und Jugendförderungsgesetz M-V als auch im Schulgesetz M-V notwendig.

2. Selbstverständnis

Schulsozialarbeit ist ein die Schule ergänzendes, niedrigschwelliges Angebot der Jugendsozialarbeit, das sich ganzheitlich auf den Sozial-, Lern- und Lebensraum Schule bezieht. Schulsozialarbeiter*innen sind Ansprechpartner*innen für alle Schüler*innen, Lehrer*innen, die Schulleitung, Eltern oder andere sorgeberechtigte Personen sowie das soziale Umfeld der Schüler*innen. Darüber hinaus kooperieren Schulsozialarbeiter*innen im Sinne ihrer Klient*innen mit Institutionen, Behörden und Organisationen, bauen sozialraumorientierte Netzwerke auf und beteiligen sich aktiv in diesen.

Diese Arbeit orientiert sich an einer systemischen Grundhaltung und beruht auf den Prinzipien von Freiwilligkeit und Vertrauen, Transparenz, Partizipation und Ganzheitlichkeit sowie Kultur- und Geschlechtersensibilität. Unabdingbar für die Arbeit ist der Bindungsaufbau zu den Klient*innen und eine Kenntnis des Systems Schule.

Schulsozialarbeiter*innen haben eine wichtige Rolle bei der Stärkung der Kinderrechte und nehmen einen klaren Auftrag im Sinne des Kinder- und Jugendschutzes wahr.

3. Ausgangssituation

Schule ist der Ort, an dem junge Menschen aus allen sozialen Schichten zusammenkommen und die Persönlichkeits- und Werteerziehung zunehmend wichtiger wird. Unabhängig von den individuellen Voraussetzungen und sozialen Benachteiligungen sowie den schulischen Rahmenbedingungen benötigen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene Orientierung, Sicherheit und Verlässlichkeit, um soziale und berufliche Ziele zu entwickeln.

Hieraus ergibt sich der Arbeitsauftrag für die Schulsozialarbeiter*innen. Sie tragen dazu bei, dass Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene ihre schulischen, beruflichen und sozialen Ziele erarbeiten und erreichen. Dafür stellen sie ihre Fachlichkeit zur Verfügung. Voraussetzung hierfür ist die Möglichkeit, einen Zugang zu den Lebenswelten der jungen Menschen wie Schule, Familie, Arbeit und Freizeit herzustellen.

4. Ziele

An allen Schulen soll Schulsozialarbeit die Schaffung von Rahmenbedingungen für einen erfolgreichen Schulbesuch und eine gelingende Berufsausbildung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen durch Einbringung von sozialpädagogischen Perspektiven unterstützen. Dabei soll potenziellen Benachteiligungen von jungen Menschen frühzeitig entgegengewirkt und der Kinder- und Jugendschutz gestärkt werden.

Zum Erreichen dieser Ziele braucht es:

  • die Verstetigung und den Ausbau des sozialpädagogischen Angebotes der Jugendhilfe in allen Schulformen auf Grundlage einer sicheren und nachhaltigen Finanzierung
  • eine enge Kooperation mit Fachgremien und politischen Entscheidungsträger*innen auf kommunaler, Landes- und Bundesebene
  • eine verbindliche und gleichberechtigte Zusammenarbeit von lehr- und sozialpädagogischen Fachkräften.

5. Aufgabenfelder

Die konkreten Tätigkeiten von Schulsozialarbeiter*innen orientieren sich an den jeweiligen Bedarfen der Klient*innen zu einem bestimmten Zeitpunkt, sind abhängig von den vorhandenen Bedingungen in den Schulen sowie von den Zielen, Erwartungen und Ressourcen der jeweiligen Prozessbeteiligten. Dabei kommt eine Vielzahl von Angeboten und Methoden zum Einsatz.

Als „Kernleistungen“ von Schulsozialarbeit können die folgenden gelten:
(in Anlehnung an Speck 2014, S. 83 f.)
  • Beratung und Begleitung von Schüler*innen und deren Bezugspersonen, Vermittlung in weiterführende Hilfen (bspw. bei Auffälligkeiten im Sozial- und Lernverhalten, in persönlichen und wirtschaftlichen Notlagen, bei Schwangerschaft, in Konflikt- und Krisensituationen, bei schulaversivem Verhalten, körperlichen und psychischen Erkrankungen, bei der Entwicklung von Zukunftsperspektiven)
  • Sozialpädagogische Gruppenarbeit (sowohl präventiv als auch anlassbezogen; bspw. zu Themen wie Berufsorientierung, Lebensplanung, Gewalt, Mobbing, Missbrauch, Gesundheit, Sucht, Stärkung der Gemeinschaft); Schwerpunkt ist immer das soziale Lernen in der Gruppe
  • Umsetzung des Schutzauftrags bei Kindeswohlgefährdung und Unterstützung der Schule im Kinder-/Jugendschutz (bspw. bei Vernachlässigung, Gewalterfahrung, Suchtmittelmissbrauch)
  • Zusammenarbeit mit und Beratung von Lehrkräften und Eltern/Bezugspersonen (bspw. Vermittlung zwischen Familie und Schule, Unterstützung von Elterngesprächen und Elternabenden, Angebote für Familien bspw. zu Medienkompetenz, Umgang mit Gewalt, Lebensplanung und Alltagskompetenzen)
  • Kooperation und Vernetzung mit Akteur*innen im Sozialraum (bspw. Kooperation mit dem Jugendamt, der Arbeitsverwaltung, Beratungsstellen, freien Trägern der Jugendhilfe, Unternehmen, Vereinen, Initiativen, Stadtteilgremien); Öffentlichkeitsarbeit
  • Unterstützung von Demokratieentwicklung, Partizipation und Mitwirkung der Schüler*innen (bspw. Klassenrat, Schüler*innenrat)
  • Offene Gesprächs-, Kontakt- und Freizeitangebote (bspw. Schüler*innentreff, Schüler*innenmitverwaltung, Unterstützung der Schüler*innen bei Projekten, Initiativen und Arbeitsgruppen, Anregung sinnvoller Freizeit-/Feriengestaltung)
  • Mitwirkung an der Schulentwicklung, in Unterrichtsprojekten und in schulischen Gremien (bspw. Klassen-, Schulkonferenzen)
  • Begleitung von Übergängen (bspw. von Schule in Ausbildung)
  • Dokumentation & Verwaltung (bspw. Projekt- und Budgetplanung, Mittelakquise/-abrechnung)
  • Reflexion und Evaluation der sozialpädagogischen Praxis (bspw. kollegiale Beratung, Supervision).

„Durch die Angebote, Maßnahmen und Leistungen der Schulsozialarbeit werden Schüler*innen beim Aufbau sozialer und personaler Kompetenzen gefördert und ihr Handlungsrepertoire zur Problembewältigung gestärkt und erweitert. Dabei geht es sowohl um die präventive Stärkung allgemeiner Daseins- und Lebensbewältigungskompetenzen bei allen Schüler*innen, um die Förderung und Unterstützung derjenigen Schüler*innen, die von sozialen Benachteiligungen und individuellen Beeinträchtigungen betroffen sind sowie nicht zuletzt um die Mitwirkung bei der Förderung der bildungsbezogenen Potenziale der Schüler*innen.“ (Olk & Speck 2015, S. 24)

6. Rahmenbedingungen

Der Landesfachverband sieht folgende Rahmenbedingungen zur Sicherstellung der Qualität von Schulsozialarbeit in Mecklenburg-Vorpommern als notwendig an:

  • Bei der Beschäftigung von Schulsozialarbeiter*innen ist das Fachkräftegebot einzuhalten, damit die Professionalität gewährleistet ist. (siehe „Empfehlungen zur Ausgestaltung der Zusammenarbeit im Bereich der Schulsozialarbeit zwischen Jugendhilfe und Schule in Mecklenburg-Vorpommern“, 2015)
  • Personalstellen müssen langfristig finanziell abgesichert sein (unbefristete Arbeitsverträge), mit angemessener Bezahlung nach TVöD.
  • Die Fachkraft muss die Wahl haben zwischen Voll- und Teilzeitbeschäftigung.
  • An jeder Schule muss mindestens ein*e Schulsozialarbeiter*in tätig sein. Bei Bedarf muss die Erweiterung um weitere Stellen möglich sein. Der Genderaspekt sollte berücksichtigt werden.
  • Die Träger der Schulsozialarbeit sind verantwortlich für die Erstellung eines Konzepts, die fachliche Begleitung und Evaluation.
  • Die Schulsozialarbeit braucht eigene, abschließbare Räumlichkeiten, die barrierefrei erreichbar sind. Die Räume müssen für Einzel- und Gruppenarbeit geeignet sein. Eine komplikationslose Nutzung anderer Räume der Schule sollte im Bedarfsfall möglich sein.
  • Die Bürogrundausstattung umfasst: separater Telefonanschluss, Smartphone, Internetzugang, PC/Laptop und Drucker, abschließbarer Schrank, Schreibtisch und Stuhl, Fax- und Kopiermöglichkeit. Die technische Ausstattung muss die Voraussetzungen für die Teilnahme an bspw. Videokonferenzen und Onlinefortbildungen erfüllen.
  • Die Schulsozialarbeiter*innen müssen ein jährliches Budget für Sach- und Arbeitsmittel (Verbrauchsmaterial, pädagogisches Material, soziale Betreuung) haben, das in der Höhe angemessen ist und eigenverantwortlich verwaltet wird. Weitere Kosten (z.B. Honorare für Referent*innen, Fahrkosten zu Fortbildungen, Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit) müssen abgesichert sein.
  • Fort- und Weiterbildung sowie Supervision müssen gewährleistet sein.
  • Eine strukturelle Einbindung in das System und die Teamstrukturen der Schule ist notwendig. Dazu gehören die Teilnahme an Konferenzen und regelmäßige Gespräche mit der Schulleitung.
  • Die eigenverantwortliche Organisation in regionalen und landesweiten Arbeitskreisen der Schulsozialarbeit dient der fachlichen Weiterentwicklung, neuen Kolleg*innen zur Orientierung im Arbeitsfeld und muss gewährleistet werden.
  • Eine explizite gesetzliche Verankerung der Schulsozialarbeit auf Landesebene ist sowohl im Kinder- und Jugendförderungsgesetz M-V als auch im Schulgesetz M-V notwendig.

[1] Für eine Auflistung der einzelnen relevanten Paragrafen siehe „Empfehlungen zur Ausgestaltung der Zusammenarbeit im Bereich der Schulsozialarbeit zwischen Jugendhilfe und Schule in Mecklenburg-Vorpommern“, 2015

Literatur

  • Empfehlungen zur Ausgestaltung der Zusammenarbeit im Bereich der Schulsozialarbeit zwischen Jugendhilfe und Schule in Mecklenburg-Vorpommern, 2015.
  • Landesarbeitsgemeinschaft Jugendsozialarbeit Baden-Württemberg: Standards von Schulsozialarbeit, 2016.
  • Landesarbeitskreis Schulsozialarbeit Schleswig-Holstein: Standards für Schulsozialarbeit, 2009.
  • Landesarbeitsgemeinschaft Schulsozialarbeit Bremen: Dreizehn Bremer Thesen zur Sozialen Arbeit an Schulen, 2015.
  • Rahmenkonzept Schulsozialarbeit im Landkreis Vorpommern-Greifswald, 2015.
  • Kunkel, Peter-Christian: Gesetzliche Verankerung von Schulsozialarbeit: Expertise. Frankfurt am Main, 2016.
  • Dortmunder Erklärung zur Schulsozialarbeit, 2015.
  • Fachpolitischer Appell der AG §78 Jugendförderung, 2018.
  • Spies, Anke / Pötter, Nicole: Soziale Arbeit an Schulen. Einführung in das Handlungsfeld Schulsozialarbeit. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2011.
  • Speck, Karsten: Schulsozialarbeit. Eine Einführung. 3. Auflage. München/Basel: Ernst Reinhardt Verlag, 2014.
  • Olk, Thomas / Speck, Karsten: Reader Schulsozialarbeit. 3. Von den Nachbarn lernen – Internationaler Vergleich von Jugendsozialarbeit an Schule. Berlin: Deutsches Rotes Kreuz e.V., 2015.
Stand: Mai 2021

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